60 Jahre VVN Niedersachsen
Kampf gegen die Illegalität
Den behördlichen Schikanen folgten bald auf breiter Front Verbotsverfahren. Die Adenauer-Regierung empfahl den Landesregierungen, alle Organisationen zu verbieten, die gegen die Remilitarisierung und für die Einheit Deutschlands eintraten. Zu ihnen gehörte natürlich auch die VVN. Darauf hin wurden im Juni 1951 in Hessen der Rat der VVN und in Rheinland-Pfalz, Hamburg und Niedersachsen die Landesverbände der Vereinigung verboten. Das Landesbüro in Hannover wurde geschlossen. Die VVN klagte gegen dieses Verfahren und erlangte im Juli 1954 endgültig die Rücknahme des Verbots.
"Ein großer Erfolg der VVN, der ohne die umfangreiche internationale Unterstützung und Solidarität demokratischer Organisationen und Persönlichkeiten Niedersachsens nicht denkbar gewesen wäre."
Nun versuchte die Landesregierung, die Wiedereintragung der VVN in das Vereinsregister zu blockieren. Erst durch einen erneuten Prozess wurde sie gezwungen, das Fortbestehen der Vereinigung anzuerkennen. "Am 31. Januar 1956, zum 23. Jahrestag der Machtübertragung an die Nazis, erlangte die VVN Niedersachsen nach fast 5 Jahren Illegalität die volle Handlungsfreiheit wieder!"
Dennoch gingen die behördlichen Schikanen weiter. Während die Bundesregierung einen Verbotsprozess gegen die Vereinigung vorbereitete, wurden alleine zwischen Mai 1962 und Januar 1963 in Hannover drei öffentliche Versammlungen kurzfristig verboten.
Zugleich wurden viele Kameradinnen und Kameraden Opfer der “Blitzgesetze”, die 1951 in Vorbereitung des KPD-Verbots erlassen worden waren. Sie wurden wegen der verschiedensten politischen oder sozialen Aktivitäten zu z. T. mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Dabei setzte die Adenauerjustiz Sondergerichte ein und bediente sich auch solcher Richter und Staatsanwälte, die ihre Erfahrungen in politischen Strafsachen schon in der Zeit des Faschismus sammeln konnten. Besonders berüchtigt war dabei die Staatsschutzkammer in Lüneburg!
Am 29. November 1962 begann schließlich der legendäre Verbotsprozess vor dem Bundesverwaltungsgericht in West-Berlin. Er wurde schon am zweiten Verhandlungstag durch den überraschenden Auftritt von August BAUMGARTE, Landessekretär der VVN Niedersachsen, beendet, bei dem die Nazivergangenheit des vorsitzenden Richters enthüllt wurde. ("Herr Dr. Werner, Sie sind ein alter Nazi!") Der Prozesssonderdienst des VVN-Präsidiums gab dazu am 30.11.1962 die folgende Schilderung:
"Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen die Vereinigungen der Verfolgten des Naziregimes (VVN) (...) begann mit einem dramatischen Auftakt. Aus dem Zuschauerraum wurden dem Gericht von dem Sekretär der VVN Niedersachsen, August Baumgarte, Fotokopien von Dokumenten überreicht, die den Vorsitzenden des Senats, Dr. Fritz Werner belasten. Aus ihnen geht hervor, dass Dr. Werner schon 1933 Mitglied der SA war und in einer 1934 veröffentlichten Dissertation nazistische Auffassungen vertrat. Dem Präsidium der VVN waren diese Dokumente unbekannt. Als einer seiner bevollmächtigten Vertreter im Prozess übernahm Alfred Hausser aus Stuttgart den Antrag von August Baumgarte, Dr. Werner auf Grund der Dokumente als befangen abzulehnen. Rechtsanwalt Dr. Hamann beantragte die Vertagung des Prozesses, damit dem gesamten Präsidium der VVN Gelegenheit gegeben werde, sich zu der neuen, ernsten Situation zu äußern. Das Gericht entsprach diesem Antrag."
Der Prozess wurde zunächst ausgesetzt. Insbesondere die breite internationale Solidarität machte es der Bundesregierung dann unmöglich, ihn weiter zu betreiben.