60 Jahre VVN Niedersachsen

Die VVN/BdA im Bündnis gegen Neofaschismus und Rassismus

Seit ihrem Bestehen musste sich die VVN mit alten und neuen Faschisten auseinandersetzen. Die fortschreitenden restaurativen Tendenzen im Zuge der Westanbindung und Remilitarisierung boten den nationalistischen und revanchistischen Kräften in der Bundesrepublik beste Entwicklungsmöglichkeiten. Frühzeitig entstanden auch Parteien, die mehr oder weniger offen ideologisch und personell an die Partei der Nazi-Faschisten anknüpften. Die "Sozialistische Reichspartei" wurde zwar 1951 verboten. Dies diente der Bundesregierung aber vorwiegend zur Rechtfertigung des gleichzeitig vorbereiteten KPD-Verbots. Die Rehabilitierung alter Faschisten in Wirtschaft, Justiz, Verwaltung und Militär ging unvermindert weiter. Der Revanchismus ("Deutschland in den Grenzen von '37") war die gemeinsame Klammer aller Rechtskräfte. Der Kampf um die Legalität der VVN wurde immer offensiv auch gegen diese Politik geführt.

Als gegen Ende der 60er-Jahre der revanchistische Konsens aufzuweichen begann und sich mit dem Antritt der SPD-FDP-Koalition eine realistischere Sicht der Weltlage durchsetzte, wurde die Verbindung zwischen national-konservativen und offen faschistischen Kräften immer enger. Von der CDU/CSU über die Landsmannschaften und Vertriebenenverbände bis hin zur 1964 gegründeten NPD wurde eine wütende Hetze gegen die "Ostverträge" und die Anerkennung der Westgrenze Polens entfacht. Mit der krisenhaften Wirtschaftsentwicklung am Ende der 60er-Jahre erhielt die NPD erheblichen Zulauf und zog in viele Gemeinde- und immer wieder auch in Landesparlamente ein.

Gegen die Aktivitäten dieser Partei gab es eine breite Widerstandsbewegung, an deren Spitze die VVN zu finden war. Im Zuge dieser Bewegung wurde die Erweiterung der Vereinigung zum Bund der Antifaschisten vorbereitet und 1971 vollzogen. Seit dem gelang es die Kontakte zur Jugend- und Studentenbewegung auszubauen und viele junge Mitglieder für die Vereinigung zu gewinnen.

Trotz der Verpflichtungen aus dem Grundgesetz waren die Behörden und Gerichte nicht bereit, den Aktivitäten der NPD Schranken zu setzen. Damals wie heute sah es die Polizei vielmehr als ihre Aufgabe an, die NPD vor Gegendemonstrationen zu schützen. Schon 1967 trat die VVN deshalb mit einem Aufruf zum NPD-Verbot an die Öffentlichkeit.

Die VVN/BdA versuchte darüber hinaus zu einem öffentlichen Klima beizutragen, in dem die NPD-Wahlerfolge der letzten Jahre nicht mehr möglich sein würden. Sie gründete Anfang 1971 eine Initiative "Verträge ratifizieren! Rechtskartell stoppen!". Gemeinsam mit "Studenten, Gewerkschaftern, Jusos, christlichen Jugendverbänden und Widerstandskämpfern" wurden in Hannover und Umgebung Tausende Unterschriften gesammelt und der Bundesregierung übergeben.

"Rechts" von der NPD traten immer wieder militante und gewalttätige Gruppen von Neonazis auf, deren Spuren sich bis heute in die "Freien Kameradschaften" und die NPD verfolgen lassen. Beispielhaft war die FAP. Mit ihr verbanden sich Namen wie Michael KÜHNEN, Jürgen MOSLER und Jürgen RIEGER. Bei der offenen Anknüpfung dieser Organisation an die NSDAP hätte ein Grund bestanden, sie entsprechend den Forderungen der VVN/BdA umgehend zu verbieten. Sie konnte jedoch seit 1979 ihr Unwesen treiben und wurde erst 1995 nach langem Verfahren verboten.

Mit der Regierung KOHL verstärkte sich der rechtskonservative Einfluss auf die "liberale Mitte" der Gesellschaft. Symptomatisch dafür war der "Historikerstreit" mit seinen Versuchen zur Geschichtsrevision und die Kranzniederlegung am Soldatenfriedhof in Bitburg gemeinsam mit Ronald REAGAN, wo neben amerikanischen Soldaten auch angehörige der Waffen-SS begraben liegen. In der Auseinandersetzung damit entstanden aber auch viele Initiativen zur Erforschung der Lokalgeschichte der faschistischen Verbrechen und des Widerstands.

Mit der "Wiedervereinigung" erhielten die "Totalitarismustheorie" aber auch nationalistische und rassistische Tendenzen neuen Auftrieb. Diese Entwicklungen zu Analysieren um ihnen wirkungsvoll entgegen treten zu können, wurde als entscheidende Aufgabe der VVN/BdA und anderer demokratischer Kräfte. Die Zeitschrift DER RECHTE RAND, 1989 auf Initiative und unter Leitung von Klaus HARBART gegründet, spielte dabei eine wichtige Rolle. Immer enger gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. In Zusammenarbeit mit der IG Metall und der Arbeitstelle Rechtsextremismus und Gewalt Braunschweig entstand die Tafelausstellung "Neofaschismus in Deutschland", die schon vielfach mit großem Erfolg gezeigt werden konnte.

2007 fand unter Mitwirkung der Kreisvereinigung Hannover die 10. Antifaschistische Sozialkonferenz statt. Jedes Jahr werden dort grundsätzliche und aktuelle praktische Fragen diskutiert.

Gedeckt durch das Versammlungsrecht und das Parteienprivileg versucht die NPD immer dreister ihren "Kampf um die Straßen und die Köpfe" umzusetzen. Sie bedient sich dabei einer Doppelstrategie von Biederkeit und terroristischer Gewalt. Immer wieder neu stellt sich für die VVN/BdA die Aufgabe, dem mit örtlichen und überregionalen Bündnissen entgegen zu treten. Die Vereinigung hat dabei ihren öffentlichen Einfluss spürbar erweitert und vertieft. Große Fortschritte wurden durch die Verbotskampagne "nonpd" erreicht.

Seitdem in den 90er Jahren verstärkt Flüchtlingsströme in Europa eintreffen, wurde das ver-fassungsmäßige Asylrecht immer mehr ausgehöhlt. Die Regierung konnte sich dabei auf eine breite fremdenfeindliche Grundstimmung stützen, die von vielen Politikern noch durch demagogische Reden von "Asylbetrügern", Grenzen der "Aufnahmefähigkeit" u.s.w. verstärkt wurde. Den schikanösen Aufenthaltsbedingungen und einer rigorosen staatlichen Abschiebepraxis entsprechen alltägliche Diskriminierung aufgrund des Aussehens, der ethnischen Herkunft oder der Religionszugehörigkeit. Dies ist das Klima, in dem die rassistischen Gewalttaten der Neofaschisten gedeihen. So ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die VVN/BdA in Zusammenarbeit mit Flüchtlingsinitiativen, antirassistischen und antifaschistischen Gruppen solidarisch auf der Seite der Flüchtlinge steht. Die örtliche Arbeit muss sich dabei konzentrieren auf Fortbildung in Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Flüchtlingsrat und Pro Asyl; durch Pressearbeit, offene Briefe an Abgeordnete und Bürgermeister, Kirchen, Unterschriftenaktionen; durch konkrete Solidarität in Einzelfällen (Unterstützung bei Asylfolgeanträgen, Abkaufen von Gutscheinen, Begleitung zu Ärzten, Besuch im Abschiebeknast u. A.).

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