60 Jahre VVN Niedersachsen
In memoriam Klaus Harbart
1. September 1955 - 29. Dezember 2005
Schon als Jugendlicher wurde Klaus Harbart von der Bewegung ergriffen, die heute als die der 68er bezeichnet wird, und die damals die restaurative Geschichte der Bundesrepublik mit ihrer Verdrängung der faschistischen Vergangenheit infrage stellte.
Er wurde Mitarbeiter einer Schülerzeitung und übernahm Verantwortung in der Schülerselbstorganisation. Damals sollte in den Schulen "Wehrkunde" zur Pflicht gemacht werden und Klaus bezog deutlich Position dagegen. So kamen er und seine Freunde in Kontakt zu politischen Bündnispartnern, darunter die SDAJ und die DKP. Seit 1972 war Klaus organisierter Kommunist und nahm als solcher an den politischen Auseinandersetzungen in der Welt teil.
Es war die Zeit, in der der Vietnam-Krieg der USA seinen brutalen Höhepunkt erreichte. Klaus beschränkte seine Solidarität nicht auf demonstrative Aktionen, sondern organisierte Geldsammlungen zur Unterstützung des kämpfenden Volkes in Vietnam.
In den folgenden politischen Bewegungen, der Aktion "Roter Punkt", der Chile-Solidarität und der Kampagne gegen die Berufsverbote war er aktiv.
Der Kontakt zum "Arbeitskreis demokratischer Soldaten" (ADS) überzeugte ihn, dass es sinnvoller sei, 18 Monate in der Bundeswehr politisch zu arbeiten, als den Wehrdienst zu verweigern.
Nach der Bundeswehr studierte Klaus Germanistik und Sozialkunde, um Lehrer zu werden.
Nach dem Ende des Referendariats musste er in wechselnden Jobs arbeiten. Die Berufsverbote-Praxis war zwar Anfang 1982 offiziell beendet worden, aber es wurden immer weniger Stellen besetzt, so dass er keinen Anspruch auf Einstellung durchsetzen konnte.
Im Sommer 1978 machte Klaus zum ersten Mal persönliche Bekanntschaft mit faschistischer Gewalt, als er mit seinen Genossen von der SDAJ von einer Gruppe Neonazis aus dem Gefolge von Kühnen und Worch angegriffen wurde. Während des Referendariats begann er sich schwerpunktmäßig mit Faschismus und Neofaschismus zu beschäftigen und den Schülern das Thema nahe zu bringen. 1986 überzeugte ihn der Widerstandskämpfer Fritz Maiwald, in die VVN/BdA einzutreten.
Klaus erkannte sehr bald, dass die rassistischen Wahlkampfparolen ("das Boot ist voll!") der Parteien der Mitte die Wahlerfolge der Parteien der Rechten begünstigen. Darüber aufzuklären machte er zu seiner vornehmsten Aufgabe und gründete mit verschieden Mitstreitern die Zeitschrift "Der Rechte Rand". Sie ist bis heute eine der wichtigen Zeitschriften für alle, die über aktuelle Entwicklungen faschistischer Theorie und Praxis informiert sein wollen. Trotz wütender Angriffe aus dem rechten Lager konnte ihr die öffentliche Anerkennung nicht verwehrt werden und sie gewann 5.000 € in einem Wettbewerb des “Bündnisses für Toleranz”, dessen Geschäftsführung beim Bundesinnenministerium liegt.
1996 wurde Klaus Bundesgeschäftsführer der VVN/BdA. Auf Vorschlag der VVN/BdA Niedersachsen zog der Bundesverband nach Hannover in die Rolandstraße. Sofort machte Klaus sich daran, die EDV vernünftig einzurichten, Presse- und Bündnisverteiler zu aktualisieren, Kontakt zu den Kreisvereinigungen herzustellen und ihnen Unterstützung anzubieten. Er machte aus dem Büro eine Art Service-Zentrale. Und gleichzeitig begann die Vorbereitung der großen Veranstaltung "50 Jahre VVN" im März 1997 in Frankfurt.
Je mehr Klaus sich einsetzte, desto mehr Arbeit bekam er. Hatte sich nach 1990 bei vielen potentiellen Interessenten der Eindruck verbreitet, die VVN/BdA sei der "Wende" zum Opfer gefallen, so konnte sich durch seinen Einsatz und seine systematische Arbeit die Vereinigung wieder im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern. Die Folge waren Anfragen nach Material, nach Referenten, nach Informationen oder einfach nach Rat. Oft war er selbst als Referent unterwegs. Klaus schlug Projekte vor, meist in Zusammenarbeit mit der Bundeskommission Neofaschismus, wie eine Broschürenreihe zum Neofaschismus, die vollständige Überarbeitung der Ausstellung "Neofaschismus in der Bundesrepublik", eine Vortragsreise von Graeme Atkinson vom antifaschistischen Magazin "searchlight" zum Neofaschismus in Europa. Durch seinen kooperativen und kameradschaftlichen Arbeitsstil gelang es, die Arbeit der Bundesvereinigung wesentlich voran zu bringen.
Die größte Herausforderung, die organisatorisch zu meistern war, war 2002 die Verschmelzung von ehemals drei antifaschistischen Organisationen in Ost und West. Notwendig waren dazu langjährige Verhandlungen und Bemühungen zur Annäherung durch Kooperation. Klaus ist es durch seine solidarische und verlässliche Art gelungen, das Vertrauen aller Beteiligten zu gewinnen. Er wurde deshalb einvernehmlich gebeten, die Bundesgeschäftsführung in Ber-lin zu übernehmen.
Die Entscheidung nach Berlin zu gehen, fiel ihm sehr schwer. Er hatte sich mit seiner Frau Anne einen familiären Mittelpunkt geschaffen und war gerade in Gehrden heimisch geworden. Für die neue Bundesvereinigung war dieser Entschluss jedoch von großer Bedeutung, gelang es ihm doch, die unterschiedlichen politischen Kulturen der drei Organisationen zu integrieren.
Fast 10 Jahre stand Klaus im Zentrum der VVN/BdA. Er war Ansprechpartner für alle: Bundessprecher, Landesverbände, Mitgliedsorganisationen und Kreisvereinigungen, Bündnispartner und Presse, Schulen und Verbände. Er stellte Verbindungen her und griff auf Verbindungen zurück, er brachte Ideen ein und griff Ideen auf. Er achtete auf die Handlungsorientierung, das Konkrete, er regte an, er setzte um.
Als er die Bundesgeschäftsführung Ende 2004 aufgab, um wieder eine Tätigkeit in Hannover aufzunehmen, blieb er der Bundesvereinigung als Mitglied des Bundesausschusses verbunden und erwog sehr ernsthaft eine Kandidatur als Bundessprecher. Es bestand also die Hoffnung, dass der VVN/BdA sein Wissen, seine analytischen Fähigkeiten, seine politische Klarheit, seine vielfältigen Verbindungen und die Orientierung auf das Konkrete erhalten blieben.
Sein all zu früher Tod riss eine Lücke, die nicht zu schließen ist.