Mitteilungsblatt der VVN/BdA Niedersachsen

Ein deutsch-niederländisches Erinnerungsprojekt an Fluchthelfer von Nazi-Verfolgten

Initiative »Fluchtwege 1933-1945«

Den drei im letzten Jahr errichteten Erinnerungstafeln für die antifaschistischen Fluchthelferinnen und -helfer im Grenzgebiet Deutschland/Niederlande sollen in diesem Jahr zwei weitere folgen.

Die Initiative Fluchtwege 1933-1945 hat sich 2016 mit Unterstützung der VVN - BdA und der AFVN - Bva (Antifaschistische ehemalige Widerstandskämpfer der Niederlande - Bund der Antifaschisten, Mitglied der FIR) gegründet. Ziel war es, an die Menschen beiderseits der Grenze zu erinnern, die geholfen haben, Verfolgte in Sicherheit zu bringen. Durch die Zeit des Kalten Krieges ist diese Hilfe in Vergessenheit geraten. Wir wollten sie wieder in das Interesse der Öffentlichkeit bringen.

Die Arbeit der Initiative ist darauf ausgerichtet, die Menschen in den Grenzorten einzubeziehen. Nicht zuletzt durch das große Interesse der lokalen Presse ist das sehr gut gelungen. Die Zeitungen haben zum Teil sehr ausführlich über das Thema berichtet. So war auch die Beteiligung an der Enthüllung der Gedenktafeln im Mai letzten Jahres erstaunlich groß.

Informationen über die Initiative und die Enthüllung der Gedenktafeln sind im Internet unter fluchtwege1933-1945.de zu finden.

Im Dezember verstarb der Gründer unserer Initiative, Hans Heres. Wir haben beschlossen, die Arbeit in seinem Sinne fortzusetzen und am 31. August 2019 zwei weitere Gedenktafeln aufzustellen. Eine Tafel soll an der Seeschleuse im Emder Hafen errichtet werden. Von dort hatte man zunächst versucht, Flüchtende mit Binnenschiffen über den Dollart in die Niederlande zu bringen.

Die zweite Tafel soll an der Grenze zwischen den Dörfern Wymeer (Gemeinde Bunde) und Bellingwolde (gemeente Westerwold) errichtet werden. Dieser Fluchtweg wurde auf deutscher Seite von dem SPD-Mitglied Johann Bültena und auf niederländischer von dem CPN-Mitglied Derk Telkamp organisiert.

Obwohl der niederländische Fluchthelfer den Ablauf des illegalen Grenzübertritts beschrieben hat, konnten wir den Weg bisher nicht nachvollziehen. Am 11. Februar hatten wir nun die Gelegenheit, unter Führung eines ortskundigen neuen Mitglieds unserer Initiative den Fluchtweg zu erkunden und konnten den historischen Ort besuchen. Das Haus des Fluchthelfers wurde in den 1980er Jahren abgerissen.

In Erinnerung an die Fluchthelfer wollen wir die Gedenktafel an der Straße von Wymeer nach Bellingwolde mit Blick auf diesen historischen Ort errichten. Unser Vorhaben wird freundlicherweise von der Gemeinde Bunde unterstützt, die u. a. wieder für die Aufstellung der Tafel sorgt. Die Enthüllung wird dann im Rahmen der Veranstaltungswoche der Gemeinde stattfinden.

Weiterhin planen wir, in Zusammenarbeit mit dem örtlichen ADFC einen Fahrradweg zu beschreiben, der unsere Gedenktafeln verbindet und damit diesen Erinnerungsort entlang der Grenze »erfahrbar« macht.

Es würde uns freuen, wenn unsere bisherige Arbeit andere dazu anregt, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und sich im südlichen Verlauf der niederländischen Grenze um die Errichtung weiterer Gedenktafeln zu bemühen. Wir werden das gerne nach Kräften unterstützen, können das aber als Initiative im bisherigen Umfang wegen der großen Entfernung nicht mehr alleine leisten. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es sich am besten durch direkte Kontakte vor Ort umsetzen lässt.

Jörg Meinke


Jahreshauptversammlung der VVN-BdA Peine

Gute Bilanz, große Aufgaben

Bei der gut besuchten Jahreshauptversammlung der Peiner VVN - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten freute sich Vorsitzender Peter Baumeister besonders über acht neue Mitglieder, die im letzten Jahr in die Organisation eingetreten sind.

Er sagte: »Unsere Aktivitäten gehen auch 2019 weiter. Regelmäßig wollen wir einen ›antifaschistischen Treff‹ anbieten. Dieser soll am letzten Dienstag jeden Monats stattfinden, immer um 19 Uhr im Peiner Schützenhaus.« Die ersten Zusammenkünfte sind am 26. Februar, 26. März und 30. April.

Am Samstag, 27. April, findet eine Busfahrt zum ehemaligen KZ Moringen bei Northeim statt, Treffpunkt ist um 9 Uhr am Peiner Gewerkschaftshaus. Anmeldungen sind ab sofort möglich. Rund um den »Tag der Befreiung« am 8. Mai, gestaltet von Auszubildenden der Peiner Träger und von Bowi-Schülern, gibt es vielfältige Aktionen.

Am Sonntag, 5. Mai, werden wieder die Stolpersteine geputzt, am 6. Mai hält Dr. Jens Binner für den Kreisheimatbund einen Vortrag zum Thema »Euthanasie«. In Klein Lafferde wird am Dienstag, 7. Mai, ein Stolperstein verlegt. Zuvor hatte der erste Vorsitzende auf die Busfahrt 2018 zum ehemaligen KZ Bergen-Belsen mit 30 Personen hingewiesen. Dort wurde die Ausstellung »Kinder im KZ« besichtigt.

Landeskassierer Jörg Meinke aus Hannover lobte die Peiner Kreisvereinigung für ihre Aktivitäten, die in ähnlicher Form z. B. auch in Wolfsburg und Lüneburg stattfinden. Das Problem besteht darin, jüngere Menschen in die Arbeit einzubeziehen und die wichtigen und notwendigen Aufgaben fortzusetzen. Jörg Meinke wies auf die neugestaltete Ausstellung zur AfD hin, die z. B. beim »Fest der Kulturen« am 1. Juni in Peine gezeigt werden könnte. Er warb für die Unterstützung des antifaschistischen Heims Heideruh in der Nordheide, dessen Existenz gefährdet ist.

In der Diskussion wurde vorgeschlagen, eine Fahrt nach Auschwitz durchzuführen. 2020 jährt sich die Befreiung durch die Rote Armee zum 75. Mal. Weiterhin ist vorgesehen, einen Besuch des KZ-Außenlagers in Hannover-Ahlem vorzubereiten.

Ein gemeinsames Essen beschloss die sehr informative Zusammenkunft.

Peter Baumeister


Zwei Vorträge der VVN-BdA zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Warum mussten Wolfgang und Marjan sterben?

Am Abend des 28. Januar hatte die Lüneburger VVN-BdA zu zwei eigenen Vorträgen in das VHS-Foyer an der Haagestraße eingeladen.

Ruthild und Peter Raykowski sowie Peter Asmussen vermittelten ihre minuziöse Spurensuche dem versammelten Auditorium.

Nur wenige Dokumente – ein paar abgegriffene Schrifturkunden und verblichene Fotos – sind übriggeblieben von Wolfgang Mirosch und Marjan Kaczmarek. Beide wurden im NS-Regime ermordet. An Hand der letzten überdauerten Lebenszeugnisse rekonstruierten die Vortragenden das Schicksal dieser zwei sehr jungen Menschen, die um ihr Leben gebracht wurden. Nachträglich sollten Wolfgang und Marjan Andenken und Würde erfahren. Bis in die hintersten Sitzreihen wurde den historisch detaillierten Recherchen aufmerksam zugehört. Zunächst skizzierten Ruthild und Peter Raykowski lebensnah, wie die verbrecherische, rassistische NS-Bürokratie den achtjährigen Wolfgang dazu abstempelte, keine Kindheit mehr haben zu dürfen. Wolfgang Mirosch hatte für die NS-Ideologen als Sinti-Junge nicht die passende Abstammung. Auf Polizeianordnung mussten ihn seine Pflegeeltern in Adendorf am 9. März 1943 losschicken - »auf Transport«. Nur mit seiner Schultasche unterm Arm wurde Wolfgang abgeholt; gewiss begleiteten ihn schlimme kindliche Ungewissheit, Unsicherheit und Angst. Der Mordplan der NS-Behörden war aber bereits besiegelt. Mit dem Zug wurde er über Hamburg in das »Zigeunerlager« des KZ Auschwitz deportiert. Acht Monate Qualen und Auszehrung machte der kleine Wolfgang im KZ Auschwitz durch und verhungerte. Sein Sterbetag ist der 9. November 1943. Die Routinebescheinigung des KZ-Arztes Mengele lautete auf Mangelernährung.

Während Ruthild und Peter Raykowski, abwechselnd vortragend, sich den spärlich erhalten gebliebenen Fotografien und Eintragungen widmeten, lassen beide jeweils kurz Stille im Raum ankommen, die den Anwesenden das Andenken vor an Wolfgang ermöglichte.

Den zweiten Gedenkvortrag für ein Opfer des nationalsozialistischen Terrors und Fremdenhasses hielt Peter Asmussen vor den zahlreich erschienenen Besucherinnen und Besuchern. Ihr Kommen unterstrich nicht zuletzt die noch immer notwendige und brisante Auseinan dersetzung mit den Ursachen der NS-Verbrechen und ihren Formen.

Peter Asmussen tat genau dies: Er erforschte die NS-Verhetzung und das Martyrium des polnischen Jungen Marjan Kaczmarek. Aus seinem Heimatdorf Renbieski in Polen verschleppten NS-Schergen den erst Fünfzehnjährigen zur Zwangsarbeit und verbrachten ihn auf einen Bauernhof nach Lüdershausen im Landkreis Lüne burg. Die Ermordung Marjans be weist, wie das NS-Personal schon die kleinste lapidare Kontrolle im Alltag benutzte, um ihre Menschenverachtung gegenüber den von ihnen Ausgegrenzten bis zum Todesurteil zu treiben. Aus seinem Gerechtigkeitsgefühl heraus setzte sich der junge Pole einer Schikane zur Wehr, in die ihn zu Ortsaufsehern erklärte Lüdershausener Feuerwehrmänner verstrickten. Anfang August 1942 wurde Marjan Kaczmarek verhaftet. Am 15. Oktober 1942 erhängte ihn die Lüneburger Gestapo am Ortsrand von Lüdershausen im Beisein vieler NS-Funktionäre der Region.

In aufwändiger Kleinstarbeit hatte Peter Asmussen vergilbten Akten und einigen Fetzen historischen Materials seine Schilderungen entrungen, die tiefstes Entsetzen über diese Tatsachen erzeugen. Noch immer gibt es keine Gedenktafeln an den authentischen Plätzen in Lüdershausen zur Erinnerung an die Ermordung Marjan Kaczmareks »so, wie es sich gehörte«, sagte Peter Asmussen zum Ende.

Ulrike Waltemade


27. Januar 2019: Gedenktag in Wolfsburg

Es ist nie zu Ende

Auch in diesem Jahr wurde in Wolfsburg der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee gedacht. Am 24. Januar hatten dazu die Stadt Wolfsburg und das Internationale Auschwitz Komitee in Kooperation mit dem Wolfsburger Verein »Erinnerung und Zukunft« zu einem »künstlerischen Abend des Gedenkens« in ein Kulturzentrum eingeladen.

Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Klaus Mohrs folgten eine szenische Lesung von Christoph Heubners »Vier Minuten, es ist nie zu Ende« (Christoph Heubner ist der geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees) und ein eindrucksvoller Auftritt des »Tanzenden Theaters« zu Erich Kästners Gedicht »Primaner in Uniform«.

Im Begleitprogramm konnten sich Wolfsburger Initiativen gegen Rassismus vorstellen. Auch die VVN-BdA Wolfsburg war mit einem Infostand vertreten. Neue Kontakte konnten geknüpft werden.

Am 27. Januar fand wieder eine Veranstaltung an der Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus statt. Hier sind über 300 Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, die für das Volkswagenwerk arbeiten mussten, begraben und auch fast 150 Säuglinge und Kleinkinder. Diese waren den Zwangsarbeiterinnen gleich nach der Geburt weggenommen worden und in dem »Kinderpflegeheim« des VW-Werkes jämmerlich zu Tode gekommen. Die Gedenkveranstaltung wurde von Schülerinnen und Schülern der HN-Gesamtschule gestaltet. Die VVN - BdA Wolfsburg legte in diesem Rahmen ein Gebinde an der Stele für die dort bestatteten Opfer des Faschismus nieder – in diesem Jahr gemeinsam mit der Muslima Laila aus Afghanistan.

Mechthild Hartung