Mitteilungsblatt der VVN/BdA Niedersachsen

Kämpferischer Protest in Wolfsburg

Abschiebestopp fortsetzen!

Auch aus der Region Wolfsburg sollen Menschen, die wegen Ver-folgung, aus Angst und Verzweiflung eine riskante Flucht gewagt haben, nach Afghanistan abgeschoben werden.

Dagegen protestierte Ende November die VVN-BdA Wolfsburg gemeinsam mit der Sozialistischen Jugend Die Falken, der Flüchtlingshilfe, dem DGB und der Partei Die Linke.

Gut 150 Demonstrierende, unter ihnen viele Menschen aus Afghanistan, forderten mit kämpferischen Parolen und phantasievollen Bannern die neue Landesregierung von SPD und CDU auf, den bislang praktizierten Abschiebestopp nach dem Beispiel Bremens fortzusetzen.

In ihrer Rede auf der Abschlusskundgebung kritisierte die Vorsitzende der VVN-BdA Wolfsburg, Mechthild Hartung, auch scharf die finanziellen Forderungen der niedersächsischen Jobcenter gegen Menschen, die auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegung im Jahr 2015 durch Bürgschaften Flüchtlingsfamilien die Zusammenführung ermöglicht hatten, ohne den schutzsuchenden Menschen die lebensgefährliche Flucht über die »Balkanroute« oder das Mittelmeer zuzumuten: Die Jobcenter fordern von Wolfsburgerinnen und Wolfsburgern horrende Bürgschaftsleistungen bis zu mehreren zehntausend Euro. Mechthild Hartung verlangte, dass die niedersächsischen Kommunen und die Landes- und Bundesregierung schnell Lösungen finden, um diejenigen, die geholfen haben, nicht in den finanziellen Ruin zu treiben.

Weitere Infos unter wolfsburg.vvn-bda.de

Alfred Hartung


Eine Deutschlandpremiere in Lüneburg

»Condemned to Remember«

Am Sonntag, den 28. Januar, zeigen um 11.00 Uhr anlässlich des internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus die Geschichtswerkstatt Lüneburg, die VVN-BdA Lüneburg, das Kulturamt der Hansestadt Lüneburg und das Scala Programmkino in einer Deutschlandpremiere den Dokumentarfilm »Condemned to Remember« – die Fortsetzung des schon in den Vorjahren gezeigten Films »Close to Evil«.

Dazu sind der Protagonist Tomi Reichental (Überlebender des KZ Bergen-Belsen) und der Regisseur Gerry Gregg aus Irland eingeladen, die ihren Film persönlich vorstellen.

»Ich bin dazu verdammt, mich an den Terror der Vergangenheit zu erinnern und habe die Verpflich-tung, mich der Rückkehr dieses Bösen, das Europa in eine Ödnis verwandelt hat, zu widersetzen.« Das sind die Worte des Iren Tomi Reichental, eines Überlebenden des Holocaust. Dieser Satz fällt auf der Hauptstraße von Merasice in der Slowakei, 70 Jahre, nachdem Tomi Reichental als zehnjähriger Junge um sein Leben fliehen musste. Merasice ist der Ort, der für Tomi Reichen-tal früher Heimat bedeutet hat. Was hier während des Zweiten Weltkriegs geschah, verfolgt ihn sein Leben lang und motiviert ihn heute, für alle diejenigen zu sprechen, die unter Rassismus und Intoleranz leiden.

So, 28. Januar, 11 Uhr, Scala Programmkino, Apothekenstraße, Lüneburg
Weitere Veranstaltungen in Lüneburg zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus bei der VVN - BdA Lüneburg.


VVN-BdA Wolfsburg feiert 70. Gründungstag

Einladung zur Festveranstaltung

Die VVN-BdA Wolfsburg erinnert am 29. Januar 2018 mit einer besonderen Veranstaltung an ihren 70. Gründungstag. Wir sind glücklicherweise im Besitz der ersten Mitgliederliste unserer Kreisorganisation, die damals den Bereich Gifhorn/Wolfsburg umfasste. Auf den Tag genau vor 70 Jahren wurde diese Liste datiert: 29. Januar 1948.

Wir haben Peter Dürrbeck, Göttingen, und Peter Asmussen, Lüneburg, als Festredner eingeladen. Peter Dürrbeck hat die Entwicklung der VVN in Niedersachsen und auch in Wolfsburg von Anfang an begleitet. Peter Asmussen ist als Vorsitzender der VVN Lüneburg Herausgeber zweier Broschüren über das Landgericht Lüneburg, an dem mehrere ehemalige NS-Richter und -Staatsanwälte auch noch in den 1950er und 1960er Jahren tätig waren. Dort wurde beispielsweise unser Wolfsburger Kamerad Karl-Heinz Schlagintweit von dem ehemaligen Richter am Sondergericht Kattowitz Karl-Heinz Ottersbach und dem Kriegsgerichtsrat in Frankreich Konrad Lenski wegen Mitgliedschaft in der FdJ und der KPD angeklagt und mehrmalig zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Strafen musste er im Gefängnis Wolfenbüttel verbüßen, das im Faschismus eine berüchtigte Hinrichtungsstätte war. Auch Peter Dürrbeck war dort zur Zeit des Kalten Krieges inhaftiert.

Im Rahmen der Veranstaltung werden wir die Mitgliederliste der VVN Wolfsburg/Gifhorn vom 29. Januar 1948 präsentieren und in einer Ausstellung über die Aktivitäten der VVN Wolfsburg in den vergangenen 70 Jahren informieren. Außerdem haben wir junge Antifaschistinnen und Antifaschisten eingeladen, vom aktuellen Kampf gegen AfD und Neonazis in der Region zu berichten. Auch uns nahestehende Flüchtlinge sollen von ihren Schicksalen und von ihren aktuellen Schwierigkeiten mit Behörden und geplanten Abschiebungen berichten. Der örtliche DGB-Stadtverband, mit dem zusammen wir auch 2018 den Ostermarsch in Wolfsburg vorbereiten, ist zu einem Grußwort eingeladen.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen am Montag, den 29. Januar 2018, von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr im Centro Italiano, Am Hasselbach 1, 38440 Wolfsburg, statt. Gäste sind herzlich willkommen.


2. Dezember in Hannover

Breites Bündnis gegen Rassismus

Nach seinem Einzug in den Bundestag hatte das finstere Konglomerat, das sich »Alternative für Deutschland« nennt, zu seinem Bundesparteitag nach Hannover eingeladen. Es schien offensichtlich nicht vermeidbar, ihm dafür das monumentale »Congress Centrum (HCC)« zu überlassen. Dabei war von vornherein zu erwarten, dass der offen völkisch-rassistische Flügel sich weiter in den Vordergrund schieben und seine Macht befestigen würde.

Den humanistischen und demokratischen Kräften war klar, dass dagegen öffentlicher Widerstand organisiert werden musste. Im Kern bestand bereits das vom DGB organisierte Bündnis »Unser Hannover – bunt und solidarisch«. Um die »Interventionistische Linke« (IL) bildete sich das Bündnis »Unsere Alternative heißt Soli-darität«. Dass beide zu gemeinsamen Aktionen fanden, war nicht selbstverständlich und erforderte von einigen Beteiligten einen Sprung über den eigenen Schatten. Wichtig war dabei, dass das Bünd-nis »Aufstehen gegen Rassismus« in beiden Strukturen verankert ist und auf das gemeinsame Ziel hin orientieren konnte.

Hunderte von Aktivistinnen und Aktivisten waren schon ab 7.30 Uhr dem Aufruf von »Unsere Alternative ...« gefolgt und versuchten, mit flexiblen Aktionen die Zugänge zum HCC zu blockieren. Sie waren zumindest insoweit erfolgreich, dass der Parteitag erst mit anderhalb Stunden Verspätung anfangen konnte.

Trotz schikanöser Polizeimaßnahmen, von denen unten noch mehr zu berichten sein wird, versammelten sich um die Mittagszeit rund 9.500 Menschen auf dem großen Platz vor dem HCC. Dank der hervorragenden Arbeit unserer Bundesgeschäftsstelle war das Bild stark durch die Schilder und Materialien von »Aufstehen gegen Rassismus« geprägt. Man sah aber auch gewerkschaftliche Fahnen und Parolen und fantasievoll Selbstgemaltes.

Unter den zahlreichen Reden beeindruckte besonders die von Marianne Wilke, langjährige Landesvorsitzende und heutige Ehrenvorsitzende in Schleswig-Holstein, die vielen jüngeren Demonstrierenden. Sie berichtete, wie sie als »Halbjüdin« unter dem faschistischen Rassismus gelitten und dabei einen großen Teil ihrer Familie verloren hatte.

Conni Kerth stellte in ihrem Beitrag die Gäste von »Stand up to Racism« aus London vor: Weyman Bennett und Ulrike Schmidt. Weyman Bennett schilderte dann die Verhältnisse in Großbritannien und den Stand ihrer Kampagne, Ulrike übersetzte.

Im Anschluss an die Kundgebung zog die Menge durch die Innenstadt zur Abschlusskundgebung, die »Unser Hannover – bunt und solidarisch« organisiert hatte. An der Spitze des Zuges fuhr ein Wagen der IG Metall. Für den nötigen Schwung sorgte unter anderem die beliebte Sambatruppe der GEW.

Innenminister und Polizeipräsident hatten schon vorab eine Linie vorgegeben, die den Protest nach Möglichkeit behindern und die sich abzeichnenden Bündnisse spalten sollte: »Wir wollen Hamburger Zustände verhindern!« Dazu mobilisierte sie ein gewaltiges Aufgebot von schwer armierten Bereitschaftskräften auch aus anderen Bundesländern, besonders bereits einschlägig Erfahrene aus Hamburg. Die Zufahrt mit Bahnen und Bussen – auch zum benachbarten Zoo – wurde gesperrt. Selbst eine ursprünglich angekündigte direkte Buslinie vom Hauptbahnhof wurde untersagt.

Entsprechend brutal war dann das Vorgehen am HCC selbst: Obgleich die Blockadeaktionen bei der Weitläufigkeit des Objekts oft nur symbolischen Charakter haben konnten, wurde gegen sie mit Knüppeleinsatz und Wasserwerfer vorgegangen – und das bei Temperaturen am Gefrierpunkt. Ein Aktivist, der sich an einer Eisenpyramide angekettet hatte, erlitt einen doppelten offenen Unterschenkelbruch, als man ihn losmachte, und musste notoperiert werden.

Der Demonstrationszug wurde schließlich mit einer Doppelreihe von Polizisten mit Helm und geschlossenem Visier eskortiert. Er wurde aufgehalten und kam verspätet zu Abschlusskundgebung.

Diese Einsätze lösten nachträglich eine lehrreiche öffentliche Debatte aus. Dirk Schulze, Geschäftsführer der IG Metall Hannover, wandte sich in einem Offenen Brief an Innenminister und Polizeipräsident. Er nannte dieses Vorgehen unverhältnismäßig. Es »stellt für die IG Metall Hannover eine Einschränkung des Rechts auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit dar«, einen Versuch der Kriminalisierung und Einschüchterung! Er machte auf die Notwendigkeit aufmerksam, auch künftig gegen die AfD oder andere rechtsradikale Umtriebe zu demonstrieren und forderte die Aufarbeitung dieser Ereignisse. Besonders solidarisierte er sich mit dem Schwerverletzten, der selbst IGM-Mitglied ist.

Bei den angesprochenen Herrn stieß er allerdings auf kein Verständnis. Auch die Sprecher der Verbände, die als Interessenvertreter der Polizisten auftreten, wiesen seine Argumente zurück. Von dem Vertreter des Bundes deutscher Kriminalbeamter konnte man den schönen Satz lesen: »Wer den ›Schwarzen Block‹ in seinen Reihen duldet, kann sich über Doppelreihen behelmter Polizisten nicht beschweren!«

Reinhold Weismann-Kieser