Mitteilungsblatt der VVN/BdA Niedersachsen

Sohn des Häftlings im KZ Laagberg Jean Gaussot besuchte Wolfsburg

Lesung über den unbekannten Vater

Jean-Michel Gaussot, Präsident der Amicale Internationale KZ Neuengamme (AIN) und Sohn des ehemaligen Häftlings des KZ Laagberg Jean Gaussot, besuchte am 5. und 6. April auf Einladung des Vereins Erinnerung und Zukunft und der VVN-BdA e. V. Wolfsburg.

Jean-Michel Gaussot hat seinen Vater nie kennengelernt. Denn ein halbes Jahr vor seiner Geburt im Oktober 1944 wurde der Vater im besetzten Paris wegen Mitarbeit in der Résistance von der Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg, von dort in das KZ Laagberg der »Stadt des KdF-Wagens« deportiert. Jean Gaussot war erst 30 Jahre alt, als er nach Monaten körperlicher Schwerstarbeit in Laagberg im April 1945 im Todeslager Wöbbelin bei Ludwigslust an Entkräftung starb, zehn Tage vor der Befreiung durch amerikanische Truppen.

In zwei gut besuchten Informations- und Diskussionsveranstaltungen hat Jean-Michel Gaussot aus seinem Buch »Ode au grand absent...« vorgelesen, worin er sich in einem fiktiven Zwiegespräch mit dem Schicksal seines Vaters auseinandersetzt. Sowohl die Besucherinnen und Besucher am Donnerstagabend im »Haus der Jugend« als auch die mehr als 100 Schülerinnen und Schüler in der Vormittags-Veranstaltung am Freitag im Delphin-Palast waren von diesen Erinnerungen zutiefst berührt. An die Lesung schloss sich jeweils eine emotional anregende Diskussion an, die von der Generalsekretärin der AIN, Christine Eckel, kenntnisreich moderiert und bei Bedarf auch deutsch/französisch übersetzt wurde.

Die beiden örtlichen Zeitungen berichteten über den Besuch von Gaussot.

Am Freitagnachmittag dann besuchte Jean-Michel Gaussot die Stele auf dem Laagberg, die an die Leidensstätte der 800 KZ-Häftlinge erinnert, darunter auch sein Vater. Fast auf den Tag genau, am 7. April 1945, waren von hier aus die Häftlinge auf den Todesmarsch nach Wöbbelin getrieben worden, den sein Vater nicht überlebte. An den Bauzaun des Einkaufszentrums, das nun an der Stelle der Fundament-Relikte errichtet wird, steckte Jean-Michel Gaussot Nelken, ein bewegender Augenblick. Die Besichtigung der zwischengelagerten Fundament-Relikte an der geplanten Fläche für den Gedenk- und Lernort schloss den denkwürdigen Besuch ab.

A. Hartung


Gedenktafeln an niederländischer Grenze

Erinnerung an Fluchthilfe

Während der Herrschaft des deutschen Faschismus mussten sich viele Menschen im Ausland in Sicherheit bringen. In Ostfriesland wurde die Flucht hauptsächlich durch die Internationale Rote Hilfe und die KPD Emden organisiert.

Die großzügige Unterstützung durch niederländische Helferinnen und Helfer, vor allem aus der CPN (Communistische Partij van Nederland – Kommunistische Partei der Niederlande), die dabei selbst ihr Leben riskierten, hat vielen Menschen das Leben gerettet.

Zur Erinnerung an die Fluchthilfe werden an der deutsch-nieder- ländischen Grenze drei weitere Gedenktafeln errichtet, die am 5. Mai 2018 enthüllt werden.

Die Veranstaltung beginnt um 11 Uhr in Bad Nieuweschans. Die anderen Stationen werden im Rahmen einer Fahrradtour besucht, können aber auch mit dem Auto erreicht werden.

fluchtwege1933-1945.de


Vorbereitung auf Nazi-Demo am 2. Juni

Goslar Nazifrei

Am Samstag, den 2. Juni 2018, planen Neofaschistinnen und Neofaschisten, im Rahmen des »Tages der deutschen Zukunft – unser Signal gegen Überfremdung« durch Goslar zu marschieren!

Der Aufmarsch militanter Neonazis erfährt in Goslar seine zehnte Auflage, in den letzten Jahren haben in Karlsruhe und Dortmund 500 bis 1.000 Nazis teilgenommen. Durch rassistische Stimmungsmache und neonazistische Propaganda soll gegen Migrantinnen und Migranten und gegen Andersdenkende gehetzt werden.

Das Goslarer Bündnis gegen Rechtsextremismus ruft für den 2. Juni zu friedlichen Gegenprotesten auf. Im Vorfeld führt das Bündnis zahlreiche Aktionen und Projekte durch. So wurde unter anderen die Ausstellung der niedersächsischen VVN-BdA »Neofaschismus in Niedersachsen« im Landkreis Goslar ausgestellt. Auf der Homepage des Goslarer Bündnis gegen Rechtsextremismus gibt es jederzeit die neuesten Informationen zu den Veranstaltungen, Aktionen und Gegenprotesten: www.goslar-gegen-rechtsextremismus.de


Vorstellung eines Schülerprojektes in der Gedenkstätte Ahlem

Graffiti gegen das Vergessen

Eines der letzten faschistischen Verbrechen in Hannover vor der Befreiung durch die Alliierten war die Ermordung von mindestens 59 Zwangsarbeitern am 22. März 1945 in der ehemaligen Israelitischen Gartenbauschule Hannover Ahlem.

Sie war ab 1942 von der Gestapo als Polizeiersatzgefängnis missbraucht worden. Ihre Laubhütte diente als Hinrichtungsstätte. Zur Verwischung der Spuren wurde das Gebäude zusammen mit den Akten vor der Befreiung niedergebrannt, die meisten der Opfer blieben so namenlos.

In der Gedenkstätte Ahlem fand am 22. März eine Gedenkstunde statt. Der stellvertretende Regionspräsident Michel Dette und der Bürgermeister der Landeshauptstadt Hannover, Thomas Hermann, erinnerten an das Ausmaß des Systems der Zwangsarbeit, dessen Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Kriegswirtschaft und die Brutalität, mit der es durchgesetzt wurde.

Im Zentrum der Veranstaltung stand ein Projekt von Jugendlichen, die sich unter Anleitung des Graffitikünstlers Philipp von Zitzewitz mit den Problemen Judenverfolgung, Zwangsarbeit und Verbrechen des Nationalsozialismus künstlerisch auseinandergesetzt hatten. Vorgestellt wurde es von zwei Studentinnen der Sozialen Arbeit an der Hochschule Hannover. Ihr Ansatz ist, Jugendlichen den Zugang zur Geschichte zu ermöglichen, nachdem die Vermittlung durch Zeitzeugen der ersten und auch der zweiten Generation immer schwerer wird. Die Ergebnisse des Projekts wurden auf 20 eindrucksvollen Tafeln vorgestellt.

Musikalisch wurde die Veranstaltung durch die einfühlsamen Interpretationen des Ensembles Trio.S begleitet.

Im Anschluss legten die beiden Vertreter der Region und der Landeshauptstadt am Ort der Hinrichtungsstätte einen Kranz, unsere Kreisvereinigung ein Gebinde nieder.

rwk


Eine engagierte Mitstreiterin lebt nicht mehr

Nachruf auf Elke Zacharias

Mit nur 55 Jahren ist Elke Zacharias gestorben. Was für ein Verlust! Sie war seit 1994 Leiterin der Gedenk- und Doku- mentationsstätte KZ Drütte (Salzgitter) und vertrat die regionalen Gedenkstätten als stellvertretende Vorsitzende im Stiftungsbeirat der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten. Da es nicht gelungen war, die VVN-BdA e. V. als Vertreterin der Opfer in der Stiftung zu verankern, übernahm sie dort in Absprache mit uns die Vertretung unserer Interessen. Dafür sind wir ihr sehr dankbar; wir hoffen, dass ein ähnlich vertrauensvol- les Verhältnis zu einer Nachfolgerin entwickelt werden kann.

Mit Elke verlieren wir eine kompetente, engagierte, ideenreiche Mitstreiterin in der Erinnerungsarbeit. Sie fehlt.

M. Hartung


Gedenken an 20.000 sowjetische Opfer im Stalag 311 bei Hörsten

Wo Militär ist, liegt Krieg in der Luft

Der verbrecherische Angriff auf die Sowjetunion hatte zur Folge, dass schon ab September 1941 zehntausende sowjetische Kriegsgefangene von den Nazis in Kriegsgefangenenlager in der Heide deportiert wurden. So auch in das Stalag 311 bei Hörsten nahe Bergen-Belsen.

Zu Fuß, in Güter- und Eisenbahnwaggons wurden sie verschleppt, tausende Kilometer weit von zu Hause. Mechthild Hartung, Landessprecherin der VVN-BdA Niedersachsen, erinnerte zur Eröffnung der diesjährigen Befreiungsfeier am 15. April an die etwa 20.000 meist sehr jungen Soldaten der Roten Armee, die hier unter furchtbaren Bedingungen jämmerlich verhungerten, erfroren, an Krankheiten wie Fleckfieber starben oder brutal erschlagen wurden.

Als Hauptredner sprachen Egon Hilbich von der Initiative »Weg des Erinnerns« und Mehrdad Payandeh, Vorsitzender des DGB Niedersachsen-Bremen-Sachsen/Anhalt. Hilbich wies auf die Kontinuität der Militarisierung der ganzen Region von der Nazi-Aufrüstung über die langjährige Belegung mit alliierten Truppen bis zur heutigen Bundeswehr hin. »Wo Militär ist, liegt immer Krieg in der Luft«, so Hilbich wörtlich. Lange Jahre wollte die örtliche Bevölkerung an die Nazi-Gräuel nicht erinnert werden. Dagegen kämpft bis heute »Weg des Erinnerns« an, denn Erinnern hilft mit zu verhindern, ähnliche Fehler wieder zu machen. Auch gegen den braunen Ungeist, der sich mit AfD und diversen Neonazi-Gruppierungen in der Heide bemerkbar macht, wendet sich die Initiative mit Informationen gerade unter Jugendlichen und mit Aktionen.

Der Ende letzten Jahres neu gewählte DGB-Vorsitzende Mehrdad Payandeh warnte aus eigenem Erleben vor den Schrecken des Krieges für die Zivilbevölkerung, vor allem für die Kinder. Leidenschaftlich setzte er sich für Verhandlungen und friedlichen Ausgleich von Konflikten ein. Ständige Aufgabe der Gewerkschaften müsse auch der Kampf gegen Rassismus sein, den er als iranischer Flüchtling in seiner Kindheit selbst erlebt hat.

Der Musiker Goran Stevanovic begleitete mit seinem Akkordeon stimmungsvoll die Veranstaltung. Mechthild Hartung warb in ihrem Abschlussbeitrag noch einmal eindringlich um Engagement für die Initiative »Aufstehen gegen Rassismus«, die von der VVN-BdA unterstützt wird. Das gemeinsame Singen des Moorsoldatenliedes beendete die würdige und gut besuchte Gedenkfeier.

A. Hartung