Mitteilungsblatt der VVN/BdA Niedersachsen
Nazis als Militaristen und Frauen als Nazis
Nordkonferenz der VVN-BdA in Heideruh
Internationale Verbindungen und Militärpolitik bei der Extremen Rechten standen am Anfang der diesjährigen Nordkonferenz am 21./22. Februar in Heideruh bei Buchholz/Nordheide zur Debatte.
Das gut besuchte Seminar der norddeutschen VVN/BdA-Verbände in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen prägte das große Interesse an einer Erfassung strategischer Umorientierungen insbesondere der NPD in den letzten 18 Jahren.
Unter den Begriff Extreme Rechte fasste der Friedensforscher Dr. Fabian Virchow (Universität Marburg) neofaschistische Parteien wie NPD und DVU wie auch extrem reaktionäre und völkische Parteien wie die REP. Mit der Veränderung der internationalen Lage seit dem Zerfall der Sowjetunion und des sozialistischen Lagers sieht sich auch die Extreme Rechte vor der Aufgabe einer Neubewertung ihrer strategischen Positionen aus völkischer Sicht. Bis 1990 sahen neofaschistische Parteien die Neutralität der BRD als Alternative zu Westbindung und NATO. Ihnen ging es auch mehr um die Kontinuität der Wehrmachtstradition. Die Stärkung der Bundeswehr mit atomaren Waffen sollte einen Gegenpol zu den Westmächten schaffen. Die Revision der Grenzen, insbesondere im Osten, war Kitt für die Zusammenarbeit rivalisierender Gruppen. Unter heutigen Bedingungen, so Virchow, sieht die Extreme Rechte die Türkei, Israel und die USA als Hauptfeinde. Aus völkischer Sicht favorisiert sie die Bildung einer Achse Paris-Berlin-Moskau. Ein militärisches Eingreifen der Bundeswehr an der Seite der USA lehnen sie ab. Separatistische Bewegungen in Ost und West werden unterstützt. Die EU soll verschwinden, ein System unterschiedlicher Abhängigkeit von einem vergrößerten Deutschland soll entstehen, ganz im Sinne der geopolitischen Großraumvorstellungen seit der Kaiserzeit. Polen ist bei diesen Betrachtungen nicht vorgesehen.
Im zweiten Teil des Tages stellte die Hamburger Journalistin Rena Kenzo Veränderungen im Rollenbild der Frau in neofaschistischen Bewegungen dar. Deutlich wurde eine verstärkte Position in Andrea Röpkes Film "Neonazistinnen, Frauen in der Rechten Szene". Verstärkt nehmen sie Aufgaben wahr, die weitgehend Männern vorbehalten waren. Äußerlich sind sie kaum dem rechten Milieu zuzuordnen. Ist der Ring Nationaler Frauen eher eine Vorfeldorganisation der NPD, so finden sich in der Gemeinschaft Deutscher Frauen eher Anhängerinnen der Kameradschaftsszene. Anhand der Biographien führender Vertreterinnen vermittelte Rena Kenzo Kontinuität und Brüche zu traditionellen neofaschistischen Mädchenbünden der 50er und 60er Jahre sowieUnterschiede in der Arbeit der "Stillen Hilfe" und der "Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene". Zugangsmotive sind oft die Verarbeitung sexueller Gewalt und Gemeinschaftserlebnisse in einer Region ohne sozialkulturelle Angebote. Kenzo beklagte die mangelnde finanzielle Förderung frauenspezifischer Studien.
Nach einer Auswertung des Samstags wandten sich die Teilnehmer/innen am Sonntagmorgen der Fortsetzung der NPD-Verbotskampagne zu. Die Gewinnung von Multiplikatoren steht nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern im Mittelpunkt. In Bremen sollen in einem ersten Schritt die Erstunterzeichner und weitere prominente Unterzeichner zu einer Stellungnahme gewonnen werden. Es können auch andere Ausdrucksformen als schriftliche eingeworben werden: Zeichnungen, Musikstücke, Fotos. Verstärkt sollen auch Bündnispartner zum Mitmachen geworben werden.
Bislang befürworten erst vier Innenminister einen neuen Verbotsanlauf. Lediglich Ehrhardt Körting (Berliner Innensenator) hat den Schritt getan, die Kontakte zu den V-Leuten auf der Führungsebene abzuschalten. Das sollte Schule machen.
Sind wir stark genug gegen Rechts?
12. Antifaschistische Sozialkonferenz erörtert Rechtsextremismus der Mitte
Am 31. Januar 2009 tagte im Pavillon in Hannover die Antifaschistische Sozialkonferenz. Dass dieses Projekt nunmehr zum zwölften Mal in Folge aus Anlass des Auschwitz-Gedenktags durchgeführt werden konnte, ist für sich schon ein wichtiges Faktum.
Unüberhörbar war noch zu Jahresbeginn die Skepsis im Kreise der Veranstalter, ob diese Form der Auseinandersetzung mit der Thematik und der damit verbundene Aufwand noch angemessen seien. Die optimistischen Stimmen setzten sich jedoch durch, zumal bald Einigkeit darüber erzielt werden konnte, dass es einmal notwendig wäre, nicht nur den kritischen Blick nach rechts zu richten, sondern eine selbstkritische Bilanz der Abwehrkräfte der Gesellschaft gegen Rechtsextremismus und Neofaschismus zu ziehen.
Dieser Intention gemäß wurde das Programm gestaltet: Dr. Dieter Molthagen von der Friedrich-Ebert-Stiftung referierte einleitend zum Thema "Ein Blick in die Mitte - Zur Entstehung rechtsextremer und demokratischer Einstellungen. "Er stellte die Ergebnisse empirischer Studien von 2006 und 2008 vor, in denen zwischen rechtsextremen Denk- und Verhaltensweisen differenziert wurde. Eines der Ergebnisse beider Studien ist, dass solche extremen Einstellungen bis in die Mitte der Gesellschaft reichen. In unterschiedlichem Ausmaß trifft dies auf extremen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und autoritäres Staatsdenken zu.
Professor Dr. Rudolf Leiprecht, Universität Oldenburg, referierte zum Thema "Rassismuskritik in der Mitte der Gesellschaft". Er wandte sich gegen die gängige Vorstellung, dass Rassisten immer die Anderen seien. Vielmehr beinhalte jede kollektive Verallgemeinerung eine rassistisch Tendenz. Er setzte sich für eine partizipative Bildung ein. "Selbstwirksamkeit" müsse entwickelt und Pluralität verteidigt werden. Die Erinnerungskultur an die deutsche Schuld müsse gepflegt werden. Eine Gleichstellung der "beiden deutschen Diktaturen" sei dabei nicht zulässig!
In vier Arbeitsgruppen befasste sich die Teilnehmer/innen der Konferenz anschließend mit der praktischen Arbeit in Projekten und Aktivitäten gegen Rechtsextremismus.
- Andreas Sedlag stellte in der ersten Arbeitsgruppe das Projekt "Schule ohne Rassismus / Schule mit Courage" vor, das mittlerweile bundesweit vernetzt ist und über zahlreiche Kooperationspartner verfügt.
- Stefan Hölzer von der VVN/BdA, Vertrauenskörperleiter bei VW Braunschweig, berichtete in der zweiten Arbeitsgruppe über die antifaschistische Arbeit der Gewerkschaften.
- Michel Pechel vom Netzwerk Erinnerung und Zukunft Region Hannover referierte über die Perspektiven der Gedenkstättenarbeit.
- Rudi Klemm vom Weser-Aller-Bündnis für Demokratie und Zivilcourage leitete die Arbeitsgruppe "Was tun Vereine und lokale Bündnisse?"
Sebastian Wertmüller, Vorsitzender der DGB-Region Niedersachsen-Mitte, nutzte die Anwesenheit der zahlreichen aktiven Antifaschistinnen und Antifaschisten, um über den Stand der Vorbereitungen zur Abwehr des drohenden NPD-Aufmarsches zum 1. Mai 2009 in Hannover zu berichten.
Ihren Abschluss fand die Konferenz in einem kulturellen Beitrag des Klecks-Theaters Hannover. In dem Stück "Die erste Stunde" von Jörg Menke-Peitzmeyer wurden gängige rassistische Klischees durch Hussein El-Award souverän in Szene gesetzt.
Fazit vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Das rege Interesse und der gute Besuch rechtfertigt die Weiterführung des Projekts "Antifaschistische Sozialkonferenz". Das Verhältnis zwischen Vorträgen und Arbeitsgruppen müsste aber neu bestimmt werden.
Die VVN/BdA, traditionell als Mitveranstalter aktiv, war auch diesmal mit einem Büchertisch und mit einem Transparent zum NPD-Verbot präsent.
"Fout" geworden of "fout" gemaakt?
("Falsch" geworden oder "Falsch" gemacht?)
Deutsch-niederländisches Antifa-Seminar in Papenburg
Zu dieser Fragestellung trafen sich Ende Februar 35 Menschen in Papenburg. Veranstalter dieses Seminars waren das Herinneringscentrum Kamp Westerbork, die Stichting Over-en-Weer/Hin-und-Zurück und das Dokumentations- und Informationszentrums Emslandlager (DIZ). Das Besondere an diesem Seminar war, dass die Gäste sowohl aus Norddeutschland als auch aus den Niederlanden kamen.
Thema war zum Einen die Ausprägung der Nationalsozialistischen Bewegung (NSB) in den Niederlanden vor und nach der Besetzung durch Nazi-Deutschland. So galt der erste Abend der Beleuchtung der "Diktatur des Gesangs": Die NSB schuf eigens "vaterländische Evergreens" und Kampflieder.
Zum Anderen wurde das "Trauma der 2. Generation" sehr eindrücklich klar gemacht: Zu Gast waren zwei Zeitzeuginnen, Kinder des Krieges: Loes Schneider und Fanny Heymann. Ihre Geschichte ist sehr unterschiedlich, aber beide waren gleichermaßen traumatisiert. Loes Schneider wurde 1942 in den Niederlanden als Tochter eines deutschen Soldaten geboren, Fanny Heymann im gleichen Jahr in Amsterdam als Tochter eines aus Deutschland geflüchteten Juden. Beide kannten ihren Vater nicht, beide litten in unterschiedlicher Weise unter dem Verlust einer vollständigen Familie und den politischen Verhältnissen. Die Herausarbeitung ihrer Lebens-Geschichten, die ein Spiegelbild der menschenverachtenden Nazi-Ideologie ist, wurde sehr beeindruckend durch eine Interview-Form entwickelt und bezeugt einmal mehr: Krieg ist ein Verbrechen! Faschismus ist ein Verbrechen!
Ein dritter Aspekt beleuchtete die Niederländische Politik und die Verfolgung von Kollaborateuren und NS-Verbrechern in der Zeit von 1945-1989. Der Journalist Jack Kooistra, der auch als "Niederländischer Simon Wiesenthal" bezeichnet wird, berichtete von seiner Jahrzehnte langen Suche nach untergetauchten Nazis. Man kann zusammenfassend sagen, dass vergleichend zu Deutschland oder Österreich ähnliche Wellenbewegungen in der Entscheidungsfindung festzustellen sind. Nach dem Ende der deutschen Besatzung wurden in den Niederlanden mehr als 100.000 Kollaborateure und Kriegsverbrecher verhaftet. 1962 waren nur noch 4 Kriegsverbrecher - allesamt Deutsche - (in Breda) inhaftiert.
Ein gesonderter Vortrag betraf das "Internierungslager Kamp Westerbork" (1945-1948). Dieses Lager hat eine besondere Geschichte: 1939 war es gebaut worden als Flüchtlingslager für jüdische Reichspogromnacht-Flüchtlinge aus Deutschland. Nach dem Einmarsch der Nazis (1940) bauten diese das Lager, das zum Schutz der Juden dienen sollte, 1942 in ein KZ um - sie vergrößerten es um das Doppelte. Westerbork wurde zum Durchgangslager für über 107.000 niederländische Juden nach Auschwitz, Sobibor und Terezìn.