Mitteilungsblatt der VVN/BdA Niedersachsen
Tontafelprojekt in Bergen-Hörsten
Seit einigen Jahren hat die Arbeitsgemeinschaft Bergen–Belsen gemeinsam mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ein Tontafelprojekt entwickelt. Von der AG kam die Idee und vom Volksbund das Geld (das in diesem Fall sinnvoll verwendet wurde).
Für den sowjetischen Soldatenfriedhof in Bergen–Hörsten werden vom Volksbund Namen aus den Archiven in Moskau von „umgekommenen“ Kriegsgefangenen an beteiligte Schulen weitergegeben. Die Schulen fertigen nach diesen Daten Tontafeln an, die in der Gedenkstätte in einem würdigen Rahmen niedergelegt werden. Von einigen der Toten gibt es weitere ergänzende Daten, die dann von den Schülerinnen und Schülern be- und erarbeitet werden. Dadurch erhalten diese Menschen das, was die Nazis ihnen vor allem nahmen, ihre Identität, wieder. Außerdem sind für junge Menschen Zahlen von umgekommenen Menschen sehr abstrakt. Durch das Beschäftigen mit Ihnen werden aus anonymen Personen Menschen mit einem individuellen Leben.
Inzwischen sind es bereits an die 1.000 Tafeln, die in einem Gestell, das die BBS Verden herstellte, dort liegen. Oft kommen Angehörige aus den Ländern der früheren Sowjetunion, die nach Ihren Verwandten suchen, dorthin. Sie sind dann ganz gerührt.
Seit über 20 Jahren arbeite ich an der Albert–Liebmann–Schule, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Sprache in Hannover als Schulassistent. Im letzten Jahr haben die 10. Klassen auch an dem o. g. Projekt in Bergen–Hörsten auf meine Initiative hin mitgearbeitet. Das kam so gut an, dass dieses Projekt für die 9. und 10. Klassen der Schule jedes Jahr stattfinden soll.
In diesem Jahr fiel dieser Projekttag genau auf den 22. Juni 2011, den 70. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion. So hatten die Schulklassen unserer Schule einen besonderen Geschichtsunterricht. Sie sahen die Auswirkungen des Überfalls in dieser Gedenkstätte.
An der Gedenkfeier, die gemeinsam von der Arbeitsgemeinschaft Bergen–Belsen, dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge und der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten ausgerichtet wurde, beteiligten sich weitere Schülerinnen und Schüler der Wilhelm-Raabe-Schule aus Lüneburg und der BBS Verden, die dort weitere Gestelle installierten, sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer der beteiligten Organisationen.
Eine eigene kleine Gedenkfeier fand noch eine Stunde später statt. Dort trafen sich Vertreter der Partei der Linken und der VVN/BdA zu einer Gedenkfeier und legten Kranz und Gesteck nieder.
Klaus Meier
Nachruf auf Ella von Trzebiatowski
Der Kreisverband Celle der VVN-BdA trauert um Ella von Trzebiatowski. Ella verstarb am 30.07.2011 im Alter von 84 Jahren. Sie war seit 1955 Mitglied, d. h. seit 56 Jahren.
Ausschlaggebend dafür, bei der VVN-BdA Mitglied zu werden, ist wohl ihr Mann August gewesen. August kam 1946 als politisch Verfolgter nach Celle. Er hatte unter den Nazis 3 Jahre im Zuchthaus gesessen und anschließend 3 Jahre im Strafbatallion unter schwersten Bedingungen überlebt. Zusammen mit anderen Kameraden gründete August 1947 hier in Celle die VVN.
Solange sie es gesundheitlich konnte, war Ella aktiv dabei. Auch wenn es nicht ihre Sache war, sich in den Vordergrund zu drängen und große Reden zu halten, so hat sie doch wichtige Aufgaben übernommen. So war sie über 20 Jahre lang immer im Kreisvorstand aktiv und hatte als Kreiskassiererin über 20 Jahre lang immer ein sehr wachsames Auge darauf, ob die Beitragsgelder ja auch für sinnvolle bzw. notwendige Dinge ausgegeben wurden. Wenn es nötig war, konnte sie dann auch mal etwas grantig werden.
Von den 1960er Jahren bis Anfang der 70er Jahre Jahre hat Ella auch in der Arbeitsgemeinschaft „Frohe Ferien für alle Kinder“ als Betreuerin mitgearbeitet.
In der VVN-BdA ging es aber nicht immer nur um politische Probleme, sondern es wurden in der Sommerpause auch zusammen Ausflüge unternommen, bei denen Ella immer dabei war. Bei Faschings- oder Weihnachtsfeiern hat sie stets mit vorbereitet, gebastelt, den Raum geschmückt, mit Kindern Blockflötenstücke eingeübt und vorgetragen usw. Als Ella Anfang 70 war, wurde sie nach und nach durch ihre gesundheitlichen Probleme gehandikapt und musste ihre Ämter leider aufgeben. Schließlich blieb dann nur das jährliche Treffen in der Advendszeit, an dem Ella teilnehmen konnte, auf das sie dann aber auch immer sehr großen Wert gelegt hatte.
Sehr gefreut hat sie sich, als sie 1997 für 42 Jahre Mitgliedschaft geehrt und 2002 zum Ehrenvorstandsmitglied ernannt wurde. Wir verlieren mit Ella eine wichtige Zeitzeugin.
Horst Stehr
Bad Nenndorf:
Konfettis gegen Nazitrauer
Natürlich wäre eine Blockade schöner gewesen, aber die geballte Staatsmacht ist auch in diesem Jahr finster entschlossen, den Nazis ihr makabres Ritual abzusichern, „Trauermarsch“ geheißen.
Vom Bahnhof zum Winklerbad, dem einstigen Internierungslager und Verhörzentrum der britischen Besatzungsmacht geht ihre Route. Mit dem „Gedenken“ an Deutsche als Opfer von zum Teil brutalen Verhörmethoden sollen dabei die historischen Verbrechen der Faschisten vergessen gemacht werden. Aber Bad Nenndorf ist nicht Dresden: Ein übersichtliches und beschauliches Gemeinwesen mit leicht kontrollierbaren Zugangswegen. Der Nazimarsch führt entlang einer einzigen Straße. Auch Überraschungscoups mit nachgemachten Polizeifahrzeugen und Betonhindernissen lassen sich nicht oft wiederholden. „Militärisch“ war dem Spuk also nicht beizukommen.
Aber die Übersichtlichkeit hat auch ihre Vorzüge: Von Jahr zu Jahr gelingt es besser, die Bewohner der Stadt, Parteien, Religionsgemeinschaften, Vereine und Geschäftsleute dagegen zu mobilisieren, dass sich dort ein Wallfahrtsort der Faschisten etabliert. Eine zentrale Rolle bei dieser Initiative „Bad Nenndorf ist bunt“ kommt der DGB-Region Niedersachsen-Mitte zu.
Noch im letzten Jahr wurden alle Gegendemonstrationen zunächst verboten. Erst eine Eilentscheidung des OLG Lüneburg ermöglichte eine Demonstration mit schikanös einschränkenden Auflagen. Dagegen läuft noch eine Klage mit grundsätzlicher Bedeutung für das Demonstrationsrecht. Für ihre Unterstützung sind dringend Spenden erforderlich. Ein Aufruf dazu ist unter www.bad-nenndorf-ist-bunt.com/home.php zu finden. Auch in diesem Jahr mussten sich die Gegner der Nazis mit einem Demonstrationsweg zufrieden geben, der weit an der Naziroute vorbeiführte. Die Abschlusskundgebung konnte jedoch in unmittelbarer Hörweite des Winklerbads stattfinden, was intensiv genutzt wurde. Akustisch dürften sich die Faschisten dort wie in der gegnerischen Fan-Kurve eines Stadions gefühlt haben.
Schon der Weg dort hin war kaum nach ihrem Geschmack. Im an der Bahnhofstraße gelegenen jüdischen Gemeindezentrum fand eine Schabbat-Fest statt. Mit dem Lied „Hevenu schalom alechem“ wurden die heranrückenden Nazis empfangen.
In zahlreichen Lokalen und privaten Gärten an der Bahnhofstraße wurden außerdem private Fêten organisiert, sodass die Aufmarschroute teilweise zur Partymeile wurde. Laute Musik und Konfettiregen begrüßten dort den „Trauermarsch“. Die Polizei hatte versprochen, geladene Gäste zum Ort ihrer jeweiligen Feier durchzuschleusen, was sie allerdings nicht immer einhielt. Schon am Vorabend war die Stadt mit bunten Luftballons und Schildern geschmückt worden, um den Faschisten klar zu machen, dass sie in der Stadt nicht willkommen waren.
Insgesamt ist die Bilanz also ermutigend: Die Bürgerbeteiligung hat sich verbreitert und vertieft. Die Mobilisierung war mit 1.200 Demonstranten und sicher mehreren hundert Partygästen hoch, von auswärtigen Nazigegnern abgesehen, die in großräumigen Polizeisperren hängen geblieben waren. Und die Nazis: 700 statt 1000 im letzten Jahr, auch keine schlechte Tendenz! Bleibt die Frage an den Innenminister Schünemann, warum sich dies makabre Spektakel noch bis 2030 legal unter Polizeischutz wiederholen soll? Ein entsprechender Brief der Bad Nenndorfer war unbeantwortet geblieben. Auf dem Dienstwege verschollen ...
Reinhold Weismann-Kieser