Mitteilungsblatt der VVN/BdA Niedersachsen

Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener unvergessen

Lebendige Gedenkveranstaltung in Hörsten/Bergen-Belsen

Wo über 20.000 Opfer von der Nazi-Wehrmacht ab Sommer 1941 in der Heide eingepfercht worden waren und unter unmenschlichen Bedingungen vor allem im Winter 1941 elend zugrunde gingen, dort wurde am 19. April der 64. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen begangen.

Nach der offiziellen Feier an der Obeliskenwand des ehemaligen KZ, die seit 2005 u.a. von der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten ausgerichtet wird, führte die niedersächsische VVN/BdA ihre traditionelle Gedenkveranstaltung auf dem Sowjetischen Kriegsgefangenenfriedhof Hörsten am Rande des KZ durch.

Dieser Sowjetische Kriegsgefangenenfriedhof ist vor allem durch die VVN/BdA und die leider verstorbene Kameradin Gertrud Schröter vor dem Vergessen bewahrt worden. Jahrzehntelang wurde ausschließlich an die Opfer des 1943 eingerichteten KZ erinnert. Landessprecherin Mecki Hartung begrüßte es daher vor mehr als 100 Anwesenden ausdrücklich, dass zum ersten Mal auch die Landesregierung und die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten sowie die Jüdischen Gemeinden zum Gedenken an das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen eingeladen und am Vormittag Kränze niedergelegt hatten. Mecki Hartung würdigte auch, dass das Los der Kriegsgefangenen und die Geschichte des Sowjetischen Kriegsgefangenenfriedhofs Hörsten im neuen Dokumentationszentrum der Gedenkstätte ihren gebührenden Platz gefunden haben.

Nach Verlesung eines bewegenden Grußworts des heute in Hannover lebenden Veteranen der Roten Armee Illia Riaboi sprach Alexander Levanovic, der Botschafter von Belarus. Er erinnerte daran, dass sein Land durch den Überfall der deutschen Faschisten fast ein Drittel seiner Bevölkerung verloren hat. Es gebe praktisch keine Familie, die nicht Opfer zu beklagen habe. Dennoch sei der Friede in Europa und weltweit wieder bedroht, weil der Krieg für zahlreiche Regierungen wieder zu einem Mittel der Politik geworden sei. Dagegen gelte es sich genauso zu wehren wie gegen alle Erscheinungen des Neofaschismus und Rassismus in zahlreichen Ländern.

Diesen notwendigen Kampf stellte auch Lennard Aldag, Vertreter des DGB Nord-Ost-Niedersachsen, in den Mittelpunkt. Gerade in der Südheide hätten sich die Neonazi-Aktivitäten beängstigend verstärkt. Die Gewerkschaften seien aus geschichtlicher Erfahrung, die auch in ihre Satzungen eingeflossen seien, verpflichtet und bereit, mit allen demokratischen Kräften gegen Neonazismus und Rassismus vorzugehen. Zu einem Höhepunkt der Gedenkfeier wurde der Beitrag von Jugendlichen des Internationalen Workcamps Bergen-Belsen. Zu diesem Workcamp, das auf Einladung christlicher und gewerkschaftlicher Jugendverbände statt findet, treffen sich jedes Jahr im April Jugendliche aus zahlreichen Ländern zur Arbeit in und an der Gedenkstätte. Zunehmend kommt aber auch der aktive Kampf gegen Rassismus und Neofaschismus dazu. Die Jugendlichen berichteten von ihren Aktionen gegen die "Ostertagung" des "Bund für Gotterkenntnis (Ludendorffer)" im nahen Dorfmark. Diese obskure rassistische Sekte ist durch den Antifaschisten Charly Braun geoutet worden. Ihre Proteste richten sich auch gegen die geplante Zusammenrottung der NPD am 1. Mai in Hannover. Nach diesem mitreißenden Beitrag junger Menschen endete die Gedenkveranstaltung optimistisch mit dem traditionellen Moorsoldaten-Lied, das die Anwesenden gemeinsam mit dem Wolfsburger IG Metallchor "Gegenwind" sangen. Der Wolfsburger Gewerkschaftschor hatte die Veranstaltung mit weiteren Widerstands- und Friedensliedern begleitet.


Herderschule in Bückeburg

Auf den Spuren der Geschichte

Seit über 10 Jahren arbeitet an der Herderschule in Bückeburg eine Geschichtswerkstatt über Themen aus der Zeit des Faschismus.

Projekte der Schüler/innen beschäftigten sich mit dem Schicksal von jüdischen Mitbürger/innen, der Verlegung von "Stolpersteinen" oder untersuchten die Zwangsarbeitslager der Gegend.

Bedeutsam ist dabei das "Arbeitserziehungslager" in Petershagen/Lahde, in dem von 1943 bis 1945 rund 8000 Gefangene beim Bau eines Kraftwerks der Preußen Elektra ausgenutzt wurden. Hunderte von ihnen kamen durch schwerste Arbeits- und Lebensbedingungen oder durch willkürliche Exekutionen zu Tode.

Im April 1945 wurde das Lager evakuiert und die Insassen in einem dreitägigen Marsch nach Hannover-Ahlem getrieben, wo die Gestapo in der ehemaligen Israelitischen Gartenbauschule ein "Polizeiersatzgefängnis" unterhielt. Wer die Strapazen des Weges nicht gewachsen war, wurde erschossen. 154 von ihnen wurden weiter durch Hannover zum Seelhorster Friedhof getrieben und dort zusammen mit weiteren Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern erschossen und verscharrt. Sie wurden nach Kriegsende exhumiert und am Nordufer des Maschsees beigesetzt.

Zum vorläufigen Abschluss ihrer Dokumentation über die Geschichte der Zwangsarbeit beschlossen elf Schüler/innen mit Geschichtslehrer Klaus Maiwald der 60 Kilometer langen Strecke des Todesmarsches zu Fuß zu folgen. Am zweiten Tag dieses Gedenkmarsches erreichte die Gruppe abends die Mahn- und Gedenkstätte in Ahlem. Dort gab die Region Hannover einen Empfang zur Würdigung des Projekts.

Literatur:
Geschichtswerkstadt Herderschule: "Wenn wir sie vergessen, sterben sie ein zweites Mal". Bückeburg 2006.
Landeshauptstadt Hannover (Hg.): Die Erschießungen auf dem Seelhorster Friedhof 1945, Hannover 2005.


Den Frieden vor Augen ereilte sie der Tod

Gedenkveranstaltung der VVN/BdA in Celle

Bei einem Bombenangriff auf den Celler Güterbahnhof kamen am 8. April 1945 zahlreiche Häftlinge ums Leben. Andere waren Opfer der "Hasenjagd" von örtlichen Nazis.

Hannelore Klement (VVN/BdA-Kreisvorsitzende in Celle) führte in einer Gedenkrede zum 64. Todestag der Opfer auf dem Bahnhofgelände aus: "Wir gedenken der Toten, die hier ums Leben kamen. Besonders aber auch derer, die das Glück - wenn man es so nennen will - und die Kraft hatten, dem Bomben-Inferno zunächst zu entkommen, und die danach bei der sogenannten "Hasenjagd" durch Celle getrieben, gefangen genommen und erschossen wurden.

Es waren ca. 4000 Häftlinge, die am 7. April 1945 aus den KZ-Außenlagern Neuengamme, Salzgitter-Drütte und Salzgitter-Bad nach Bergen-Belsen gebracht werden sollten. Angehörige der SS, SA, der Polizei und der Wehrmacht trieben die, die sich vor dem Bombenhagel in Sicherheit bringen wollten und Schutz suchten, in den nahe gelegenen Wäldern oder Gärten und auf einen Sportplatz in der Nähe des Neustädter Holzes zusammen. Diese "Hasenjagd" vollzog sich bis zum 10. April. Während einige als "Plünderer" sofort standrechtlich erschossen wurden, waren es ungefähr noch 500 Gefangene, die von der SS nach Bergen-Belsen getrieben wurden. Wer unterwegs zusammenbrach, wurde auf der Stelle erschossen. So waren es sicher nur wenige, aber einige doch von den Überlebenden, die uns als Zeitzeugen kurze Interviews geben konnten, welche auch in den "Celler Heften" von RWLE Möller-Stiftung "Hasenjagd" in Celle - nachzulesen sind. Und so möchte ich nun, im Gedenken der Opfer und Toten hier mit dem Satz abschließen: "Nie wieder Faschismus - Nie wieder Krieg!""


Leserbrief zu Anti-Nazi-Demonstration in Celle

Erschreckend martialischer Auftritt der Polizei provozierte Aggression

Am Montag, nach einer am Samstag, den 20. Dezember 2008 stattgefundenen Demo gegen Nazis, erschien in der Celleschen Zeitung auf Seite 17 der Artikel: "500 protestierten gegen Neonazis ..." Klaus Meier dachte nach der Lektüre, er sei auf einer anderen Veranstaltung gewesen. Er schrieb folgenden Leserbrief, der nicht veröffentlicht wurde:

In den Medien sollte suggeriert werden, hier seien gewaltbereite Chaoten dabei gewesen. Dazu kann ich nur erklären: Wir lassen uns nicht auseinander dividieren, auf der einen Seite die "TeilnehmerInnen aus der linksautonomen Szene", auf der anderen Seite wir, die engagierten Demokraten, wie der DGB Sekretär Hartwig Erb, die AG Bergen-Belsen-Vorsitzende Elke von Meding oder ich als aktives Mitglied der VVN/BdA. Für uns zählt, dass alle der dort anwesenden Personen eines eint, das aktive Eintreten gegen Neonazis und die gesamte "braune Brut", die dort in Eschede auf dem Nahtzhof seit Jahrzehnten ihr Unwesen treibt.

Das eigentlich Erschreckende war das martialische Auftreten der Polizei. Alle mit der Bahn angereisten - und das waren die meisten (etwa zwei Drittel der Demonstranten) - wurden über zwei Stunden lang regelrecht "gefilzt". Hier entstand vor allem Aggression. Dank vieler besonnener, vor allem älterer Anwesender, die immer wieder anmahnten, sich nicht von der Polizei provozieren zu lassen, eskalierte die Situation nicht weiter. Hier frage ich mich manchmal, was das für ein Rechtsstaat ist, in dem politisch interessierte Jugendliche (häufig wird gerade die heutige Jugend als überwiegend unpolitisch und unengagiert bezeichnet) zwei Stunden lang wie Kriminelle behandelt werden.

Eines der Ziele der Demonstration war das Ortsende von Eschede, wo am 10. August 1999 der Escheder Peter Deutschmann von den beiden Escheder Nazi-Skinheads Marco Siedbürger und Johannes Markus K. getötet wurde. Die beiden Nazis wurden zu fünfjährigen Haftstrafen verurteilt. Marco Siedbürger schloss sich nach seiner Haftentlassung der Schaumburger Naziszene an. Er gehört seit Jahren zu den gewalttätigsten Naziaktivisten und war an diversen Übergriffen beteiligt. Bis heute zieht es ihn in seine alte Heimat zurück und er ist steter Besucher der Veranstaltungen auf dem Hof Nahtz.

Seit über einem Jahr versuchte das Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus in Eschede in einer Kirchengemeinde oder einer Gaststätte Räumlichkeiten für eine Info-Veranstaltung zum Thema "Nahtzhof" zu bekommen, ohne Erfolg. Plötzlich existiert auch ein Arbeitskreis gegen Extremismus in Eschede. Das ist gut, dass sich auch in Eschede etwas tut, das ist ausdrücklich zu begrüßen.

Aber Eschede ist nur ein Beispiel. Die Nazis breiten sich überall aus. Man/Frau muss dem mutig entgegen treten. Nur einige weitere Beispiele: Der Neonazi Jürgen Rieger möchte Gerdehus, ein Anwesen in der Gemeinde Faßberg kaufen und für den 1. Mai 2009 hat Dennis Bührig in Hannover einen großen Aufmarsch angemeldet.

Deshalb gilt es, den Faschismus mit allen legalen Mitteln zu bekämpfen, denn "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!" Grundgesetz Artikel 139 lautet: Die zur "Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt". Daher ist von hier die Absage an Nazis abzuleiten.


Trauer um Inge Müller und Emmy Baumgarte

Inge Müller, geb. Bitterlich, kam 1928 in einem kommunistischen Elternhaus zur Welt.

Ihr Vater,Walter Bitterlich, wurde von den Nazis verschleppt und galt für Jahrzehnte als verschollen. Erst nach 1980 erfuhr die Familie von seiner Ermordung in Buchenwald. Die Erinnerung an ihren Vater war für sie prägend. In der antifaschistischen Arbeit, beim Aufbau der Freien Deutschen Jugend und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) lernte sie ihren späteren Ehemann, Werner Müller, kennen. Mit dem KPD-Verbot wurden sie und ihre Familie erneut Ziel antikommunistischer Willkürjustiz.

Alle Versuche der Einschüchterung blieben vergebens. Inge arbeitete aktiv in der VVN Niedersachsen mit und hat sich für die Wiedergutmachung verfolgter Antifaschisten eingesetzt.

Seit 1968 waren Inge und Werner neben ihrer VVN-Tätigkeit aktiv in der DKP. Solange es Inges Gesundheit erlaubte, war sie für die VVN/BdA aktiv und arbeitete in der Initiative zur Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges mit.

In der Kreisvereinigung Hannover nannte man die Kameradin Inge "unser Archiv". Reinhold Weismann-Kieser schreibt: "Sie konnte mir zu unzähligen auf Fotos dokumentierten Kameradinnen und Kameraden mindestens eine kurze Geschichte erzählen. Leider konnten wir den Plan, Inges Kenntnisse noch einmal in einigen Gesprächsprotokollen festzuhalten, nicht mehr umsetzen.

Emmy Baumgarte, die jetzt 96-jährig in Hannover starb, wurde 1912 geboren.

Sie hatte sie schon als Heranwachsende die Schrecken des ersten Weltkrieges erfahren und miterlebt, was Krieg, Hunger und Elend bedeuten. Mitglied bei den Jungen Pionieren und später im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD). Verkauf der Arbeiterillustrierten.

Kurt und Emmy - beide kämpften im KJVD gegen den aufkommenden Faschismus und setzten diese Arbeit auch unterm Faschismus fort. Emmy wurde wegen ihrer illegalen KJVD-Arbeit zu mehrjähriger Gefängnishaft verurteilt, die sie im Gerichtsgefängnis Hannover verbüßen musste. Hinzu kam noch, dass die Gestapo sie unter Druck setzte und physisch bedrohte, weil sie verraten sollte, wo sich Kurt aufhielt, der an der Leninschule in Moskau studierte und später illegal arbeitete. Kurt wurde 1934 verhaftet und saß mehrere Jahre in den verschiedensten Zuchthäusern, wo Emmy ihn nach ihrer Freilassung besuchte.

Erst 1945 kam Kurt nach Hannover zurück, sie konnten heiraten und setzten ihre gemeinsame Arbeit in der KPD fort. Als Kurt von 1965 bis 1967 erneut in politische Haft genommen wurde, hat sich Emmy ganz entschieden für seine Freilassung eingesetzt, was ihr erneut Drohungen durch die politische Justiz einbrachte. 1968 wurde Emmy Mitglied der DKP und brachte sich in der Parteigruppe und als Zeitzeugin aktiv ein.