Mitteilungsblatt der VVN/BdA Niedersachsen
Erinnerungssteine vor dem Geschäft
"Thor Steinar"-Laden in Peine wieder geschlossen
Anfang September 2008 eröffnete in Peine ein Laden, der "Thor-Steinar"-Kleidung im Angebot hatte. Das war umso empörender, als im Vorderbereich früher ein Geschäft bestand, dass dem jüdischen Kaufmann Fels gehörte. Vier Stolpersteine erinnern an diese Familie.
Relativ schnell lud das "Bündnis für Zivilcourage und Toleranz", maßgeblich getragen von Peiner Gewerkschaftern und der VVN/BdA, zu einem Treffen ins Peiner Gewerkschaftshaus ein. Rund 60 Interessierte kamen zusammen, so viele wie lange nicht mehr. Peter Baumeister informierte über die Marke "Thor Steinar", die bevorzugt von Menschen mit rechtsextremer Gesinnung getragen wird.
Auf der Versammlung wurde beschlossen, Infostände und eine Demo vorzubereiten und eine Resolution im Stadtrat einzubringen. Bald darauf wurde eine Scheibe des Geschäftes durch einen Steinwurf beschädigt. Dazu wurde geäußert, dass der Laden Ende Oktober seine Pforten schließt. Von der politischen Polizei wurde die Furcht davor geschürt, dass im Internet massiv für die Demo geworben wird, es wurde sogar von einer "Tsunami-Welle" gesprochen. All das führte zur Absage der Demonstration. Auch ein Dringlichkeitsantrag der Gruppe Grüne/Linke im Stadtrat, in dem gefordert wurde, "sich energisch gegen das Peiner Geschäft zu wenden" und alle "rechtlichen und politischen Möglichkeiten zu unterstützen, damit dieser Laden schließt", fand keine Mehrheit. Sehr positiv waren zwei Infostände zu werten, an denen zahlreiche, vor allen Dingen jüngere Menschen, teilnahmen.
Die Peiner IG Metall und der DGB sowie das Bündnis für Zivilcourage und Toleranz und die VVN/BdA luden zu einer Veranstaltung mit Christine Böckmann aus Magdeburg ein. Sie berichtete von den Auseinandersetzungen mit eben diesem Laden in ihrer Heimatstadt und von der Ausstellung, die über die Marke "Thor Steinar" und über die rechte Gefahr informierte.
Hinter den Kulissen war besonders Bürgermeister Michael Kessler daran beteiligt, dass es zu einer Kündigung oder besser noch zu einem Aufhebungsvertrag mit dem Inhaber des Geschäftes kam. Nach zwei Monaten, Ende Oktober, hatten tatsächlich die Bemühungen von verschiedenen Seiten Erfolg, und der Laden wurde geschlossen.
Auch der Peiner Stadtrat, wiederum auf Initiative der Gruppe Grüne/Linke, erklärte u.a. einstimmig in einer Resolution: "Durch das frühzeitige Setzen von Zeichen und durch die Auseinandersetzung mit der Marke ist es gelungen, dem Geschäft in Peine keine Möglichkeit zu bieten. Der Stadtrat setzt sich auch dafür ein, dass rechtes Gedankengut und Handeln in Peine nichts zu suchen hat."
Leidensweg der Opfer nachgezeichnet
Erneut wurden "Stolpersteine" in Peine verlegt
Zum dritten Mal wurden in Peine Stolpersteine durch den Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt. Initiiert wurden diese vom Peiner Bündnis für Zivilcourage und Toleranz und der VVN/BdA.
Während beim ersten Mal ausschließlich jüdische Bürger in der Fußgängerzone geehrt worden waren, wurde dieser Kreis beim zweiten Mal auch um politische Opfer erweitert. Dazu gehörte z. B. der ehemalige Betriebsratsvorsitzende des Peiner Walzwerkes und KPD-Stadtverordnete Werner Kratz.
Jetzt allerdings wurde die Aktion auf das Kreisgebiet erweitert. Den Anfang machte der kleine Ort Wense in der Gemeinde Wendeburg. Mit fünf Stolpersteinen wurde die Familie Mesritz geehrt. Die Historikerin Martina Staats schilderte am Beispiel von Erich Mesritz das Schicksal der jüdischen Familie. Dieser lebte bis 1935/36 in Wense und floh wie viele Juden in die Niederlande. Erich Mesritz wurde zur Zwangsarbeit rekrutiert, im Arbeitslager "Elssloo" interniert und anschließend in das Durchgangslager Westerbork deportiert. Er ging mit einem Transport zu dem Ziel Auschwitz. Der Zug wird in Cosel gestoppt und Erich Mesritz wird in das Zwangsarbeiterlager Blechhammer gebracht. Er überlebt sogar den Todesmarsch bei Temperaturen von Minus 20° C in das KZ Groß Rosen. Am 7. Februar 1945 stirbt er im "Kleinen Lager" von Buchenwald.
In Peine wird an drei Stellen der jüdischen Opfer gedacht. Peter Baumeister bedankte sich bei den Spendern, und Dr. Jens Binner schilderte das Schicksal der ehemals jüdischen Bewohner.
Dabei betonte Bürgermeister Michael Kessler: "Wir in Peine haben noch viel zu tun. Die Zeit der Naziherrschaft muss besser aufgearbeitet werden." Er fand es seltsam, dass die Personalakte eines seiner Vorgänger, von Dr. Wiard Bronleewe, der von 1933 bis 1945 Bürgermeister war, verschwunden ist.
In Lengede wurde ein Stolperstein für den Sozialdemokraten Karl Reinhold Zobel gesetzt, der sofort 1933 von den Nazis abgesetzt worden war. Zwei Schülerinnen der dortigen Realschule schilderten das Leben dieses aufrechten Demokraten, der sich sehr für die Arbeiter eingesetzt hatte. Er überlebte verschiedene KZs und Arbeitslager, in Bergen-Belsen verliert sich seine Spur. Auch Bürgermeister Hans-Herrmann Baas würdigte das Wirken und den aufrechten Gang von Karl Reinhold Zobel. Ein gemeinsames Kaffeetrinken, an dem zahlreiche Mitglieder der Familie Zobel teilnahmen, gab Anlass, auch private Erinnerungen auszutauschen.
In Peine sind jetzt insgesamt 38 Stolpersteine verlegt. Zur besseren Orientierung wird erwogen, dass das Stadtarchiv ein Faltblatt mit den Verlegeorten herausgibt.